Während nachts noch geböllert und angestoßen wurde, kam ein „Frohes Neues“ vielen Berliner:innen schon am 1.1. nur schwer über die Lippen. Grund dafür sind die für dieses Jahr geplanten 3 Milliarden Euro Einsparungen im Haushalt, die einem Großangriff auf das gesamte Berliner Kultur-, Wissens- und Sozialwesen gleichkommen. Die SPD- und CDU-Regierung setzte bei den Kürzungen „Schwerpunkte“. So bleibt beispielsweise die Aufrüstung der Polizei unangetastet, während in der Sozialarbeit 3 Millionen, beim Schulbau sogar 95 Millionen Euro fehlen werden. Auch scheinen 10 Millionen für Prestigeprojekte wie einer Olympiabewerbung Priorität zu haben, während man Institutionen, die der breiten Stadtbevölkerung nutzen, einstampft. Wir sprachen Ende Dezember mit einer Kolleg:in, die in einer Schulbibliothek direkt betroffen ist.
Erzähl doch mal kurz, wie bisher dein Arbeitsverhältnis aussah.
Ich arbeite seit anderthalb Jahren in einer Schulbibliothek in Berlin. Von vornherein hatte ich kein richtiges Anstellungsverhältnis, sondern habe nur Honorarverträge bekommen, die immer im Vorhinein abgesprochen wurden. Dabei galt ein Vertrag nur für maximal ein halbes Jahr, darüber hinaus hatte ich nur mündliche Zusicherungen. In diesem halben Jahr gab es Abrechnungszeiträume. Das heißt, dass ich manchmal drei Monate gearbeitet habe, ohne Geld zu bekommen. Erst nach drei Monaten konnte ich die Rechnung stellen wegen Abläufen beim Senat und in der Verwaltung. Ich hatte auch schon Situationen, wo ich zwei Monate lang nicht ausgezahlt wurde, weil es irgendwelche Probleme beim Senat gab. Auf der Arbeit haben wir uns selber in die Schichten eingeteilt, aber es mussten schon zu diesem Schuljahr im Herbst 2024 zwei Kolleginnen gehen, weil gekürzt wurde. Vorher waren wir zu viert für die gleichen Schichten. Teilweise musste die Bibliothek auch komplette Tage schließen.
Wie habt ihr jetzt davon erfahren, dass ihr von den Kürzungen betroffen seid?
Noch haben wir gar nichts erfahren. De facto werden wir das erst, wenn wir den neuen Vertrag vorgelegt bekommen, wo einfach die Hälfte des Gehalts drinsteht. Das hat uns Ende November die Schulverwaltung knapp am Telefon informell gesagt . Generell war es unklar, ob wir ab Januar überhaupt weiter beschäftigt werden, weil es kein Geld gibt. Teilweise wurde das Bibliotheksangebot auch über das Bonusmittelprogramm für Familien die Bezüge bekommen und den Berlin-Pass haben, bezahlt. Das wurde auch gekürzt.
Wie wurde euch die Halbierung eures Gehalts begründet?
Also der Schulleiter sieht den Wert der Schulbibliothek und möchte die gerne erhalten, aber die Verwaltung ist sehr technisch und argumentiert aufgrund der Zahlen. Uns wurde gesagt, dass wir sowieso schon zu viel verdienen und dass eine Schulbibliothek einfach ein Luxusgut ist.
Dabei wird gar nicht gesehen was die Rolle dieses Jobs ist. Wir sind fest eingeplant, gehen zweimal die Woche da hin und sind trotzdem nur scheinselbstständig angestellt.
Die rechnen also fest mit uns. Bei diesen krassen Kürzungen wird dann aber gesagt, dass wir dankbar sein können, überhaupt noch einen Vertrag zu haben. Sie halten uns vor, dass jetzt Schulbücher gestrichen werden, damit wir bezahlt werden können. Wir werden also alle gegeneinander ausgespielt.
Wie ist es so bei deinen anderen Kollegen und Kolleginnen?
Ich habe ja nur eine Kollegin, die bekommt genauso wie ich nur noch die Hälfte ab Januar für die gleichen Stunden. Sie ist aber sogar studierte Bibliothekswissenschaftlerin. Das dürfen die, weil wir jetzt neu eingruppiert werden. Vorher waren wir qualifizierte Beschäftigte und wurden als qualifizierte Tätigkeit eingestuft. Jetzt hat die Verwaltungskraft herausgefunden, dass sie uns weniger zahlen können, wenn sie uns als unqualifizierte Tätigkeit einstufen.
Wir tun die genau gleiche Arbeit, aber werden jetzt zu einem anderen Satz bezahlt.
Außerdem wird versucht, die Lücke, die jetzt entsteht, weil die Schulbibliothek nicht mehr jeden Tag auf hat, mit Ehrenamtlichen zu füllen. Zum Beispiel wollte eine ehemalige Schülerin anfangen, bei uns zu arbeiten. Ihr wurde versprochen, dass sie bald bezahlt wird und sich etwas dazu verdienen kann, was auf jeden Fall nicht passieren wird. Während die bezahlten Jobs gestrichen werden, müssen jetzt ehrenamtlich Mütter einspringen, um das Angebot zu halten.
Welche Rolle spielt denn die Schulbibliothek für die Schüler?
Ich würde sagen, die ist essentiell, weil es der einzige Raum an der Schule ist, wo Schüler:innen, Zeit verbringen können, ohne die ganze Zeit von Lehrer:innen beaufsichtigt zu werden. Sie können ihre Zeit selber einteilen und sich zurückziehen. Die Schule ist sehr groß und viele Schülerinnen und Schüler bleiben den ganzen Tag. Es ist eine krasse Belastung, mit 30 Kindern mindestens 8 Stunden am Tag in einem Raum zu sein, da sind wir der einzige Rückzugsort. Hier werden Referate und Hausaufgaben zusammen gemacht. Gerade vor den Schulferien werden viele Bücher ausgeliehen, die Schüler:innen wollen Empfehlungen oder Fragen nach Sachen, die sie gelesen oder gesehen haben. Bis vor den Sommerferien war auch noch Geld da, um sich Bücher zu wünschen. Die Bibliothek insgesamt ist zu großen Teilen aus Bücherwünschen von Schüler:innen entstanden, die hier was lesen und lernen können, ohne es sich kaufen zu müssen. Das Angebot wird sehr viel genutzt, auch um mit uns zu sprechen, weil wir keine Lehrkräfte sind.
Wir sind hier angestellt und die Verwaltung verlässt sich auf uns. Wir übernehmen Verantwortung für diesen Raum, haben Lesungen organisiert, konzipieren und die wissen auch, dass wir morgen wiederkommen und die Arbeit machen. Und jetzt sollen wir dankbar sein, dass wir für die gleiche Arbeit nur noch das halbe Gehalt bekommen.
Wie blickst du jetzt in die Zukunft, wenn du am 1.1. den Vertrag bekommst?
Ich habe keine Wahl, weil überall gekürzt wird. Ich muss einfach eine Halbierung meines Gehalts hinnehmen, weil ich gar keine Auswärtschancen sehe, obwohl ich dann de facto mit der Selbstständigkeit unter den Mindestlohn rutsche und alle Risiken selber trage. Ich habe zum Beispiel keinen bezahlten Urlaub, ich habe keine Krankheitstage. Am Ende denke ich, kann sich nur grundlegend etwas ändern, wenn wir gemeinsam was auf die Beine stellen und diesem Kürzen und Gegeneinander ausspielen etwas entgegensetzen.
Vielen Dank für das Interview.
Vielen Dank euch!