Die Beschäftigten der Sana Kliniken sind diesen Sommer in ganz Deutschland in den Arbeitskampf gegangen. Das Sana Klinikum Lichtenberg war dabei besonders stark organisiert. Die letzten Monate zeigen, was man schaffen kann, wenn man sich zusammenschließt, was Hürden waren und was bleibt.
Es wird schrill gepfiffen und gerufen an diesem Morgen, dem 11. Juni, vor dem Sana Klinikum Lichtenberg. Trotz dicker Wolkendecke lässt sich die Sonne genau über den hundert Beschäftigten des Klinikums und ihren Unterstützern blicken. Den Kaffee in den Pappbechern brauchen viele von ihnen gar nicht, weil die letzten Tage ohnehin aufreibend genug waren. Es damit der zweite Warnstreiktag des Sana Klinikum Lichtenbergs. Nachdem die ersten Tarifverhandlungen im Mai scheiterten und sich der Sana-Konzern monatelang auf keine Notdienstvereinbarung einigen wollte, zog die Konzernspitze kurz vor Streikbeginn vor das Arbeitsgericht. Viele Kolleginnen mussten wegen der daraufhin knapp verhandelten Notdienstzeiten Montag und Dienstag arbeiten und konnten nicht streiken. Auch hier wurde, wie in der Berliner Krankenhausbewegung zuvor, Patient gegen Pflegerin ausgespielt. Doch an den Streiktagen trübt das nicht die Kampfbereitschaft der Belegschaft, denn die Notdienstverhandlungen waren lange mitgedacht und die Forderungen sind klar: „Das Personal blutet aus, Aktionäre in Saus und Braus“ steht auf einem Schild. Mit Applaus gehen die Kolleginnen an diesem Montag in den Notdienst und beurlaubte Kollegen und Kolleginnen, Azubis, Patienten und Unterstützung aus der Nachbarschaft sorgen für umso mehr Stimmung.
Denn die Beschäftigten der Sana Kliniken haben genug! Gerade in Berlin spüren die Pflegerinnen und Pfleger die Inflation, hohe Mieten und steigende Preise besonders. Während das Kollegium im Sana-Herzzentrum in Cottbus aufgrund geringerer Lebenskosten und einem planbareren Alltagsbetrieb recht wenig organisiert ist, sind in Lichtenberg teilweise ganze Stationen auf der Straße. Der Lohnunterschied zum TVöD beträgt in den unteren Gehaltsgruppen bis zu 18%, die Belastung ist hoch und die Auszubildenen werden zu gering vergütet. Die Situation ist schon lange für die Arbeitenden untragbar, während die Konzernspitze und die Besitzenden Millionen Gewinne erzielen. 1970 als Unternehmen der privaten Krankenkassen gegründet, gehört die Sana Gruppe bis heute zu den führenden privaten Krankenhausketten in Deutschland. Die 24 Anteilseigner sind dabei allesamt private Krankenversicherungen, wobei 2023 ein Umsatz von 3 Milliarden Euro gemacht wurde. Kein Wunder, dass die Wut im Kollegium groß ist, wenn gleichzeitig die eigene Miete kaum gezahlt werden kann. So sahen die Forderungen, mit denen die Pflegerinnen und Pfleger in den Streik gegangen sind unter Anderem eine Lohnsteigerung von 12% mindestens aber 400€, sowie 12% Zulagen vor und für Azubis 30 Tage Urlaub und 200€ mehr im Monat.
Gerade weil Presse und Konzernspitze gerne das berechtigte Anliegen der Beschäftigten gegen Patient:innen ausspielen wollten, haben wir im Stadtteilkommitee Lichtenberg vor dem Streik eine Veranstaltung zu den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitskampf gemacht. Viele der Pflegerinnen und Angestellten bleiben trotz schlechterer Arbeitsbedingungen im Sana Klinikum Lichtenberg, weil auch sie in der Nachbarschaft aufgewachsen sind und zu großen Teilen seit der DDR Zeit die stetige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen miterleben. Solidarität in der Nachbarschaft stärkte die Beschäftigten gerade hier, weshalb das Stadtteilkommitee gerne zum Warnstreik eingeladen wurde und mit einem Solidaritätsgrillen in der Nachbarschaft die Streikkasse unterstützte. Im Juli hatte das Ergebnis der Tarifverhandlungen nach drei langen Sitzungen dann trotz Erfolg einen bitteren Beigeschmack. Zwar konnten die 200€ für Azubis und zumindest eine Lohnsteigerung über die gesamte Laufzeit von 350€ also zwischen 7% bis knapp 6% erreicht werden, sowie die Zulagen um 12%. Doch klar ist auch, dass der Erfolg noch größer gewesen wäre, wenn das Sana Klinikum Lichtenberg nicht im Tarifvertrag mit allen Sana Kliniken bundesweit hätte verhandelt werden müssen. Die große Solidarität vor Ort und die Kampfbereitschaft hätten in einem hauseigenen Vertrag sicherlich noch mehr herausgeholt. Diese Erfahrung trägt über die vergangenen Tarifverhandlungen hinaus, denn Entlastung ist immer noch ein großes Anliegen der Beschäftigten, was erkämpft werden will.
Erschienen im November 2024, ika-berlin.org