Krieg lässt Kassen klingeln

Autor: Jaber Ahmadi

Zeitenwende – das Wort ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 in aller Munde. Die Wende, die das gebracht hat, ist aber nicht, dass ein Staat einen anderen aufgrund von geopolitischen oder ökonomischen Gründen angegriffen hat.

Nein, schön wäre es. Die tatsächliche Wende ist, dass nun Rüstungslobbyisten und Politiker gewisse Pläne, die seit langem in ihren Schubladen schlummern, hervorholen und umsetzen können. Denn seitdem scheint alles möglich und sagbar: 100 Milliarden Sondervermögen, eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, sogar eine europäische Atombombe wird offen diskutiert.

Kein Ende der Geschichte

Mit Beginn des Krieges ist auch ein Szenario wieder auf dem Tisch, was viele nicht mehr für möglich hielten – den territorialen Krieg zwischen Staaten mit großen Materialschlachten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bauten die meisten Staaten ihre Armeen so um, dass spezialisierte Eingreiftruppen gegen eher kleine und leicht bewaffnete paramilitärische Einheiten eingesetzt werden konnten.

Auch die Bundeswehr wurde unter neoliberalen Vorzeichen klein geschrumpft, während die deutsche Industrie sich primär auf hochspezialisierte Systeme verlagerte. Die Aussage des Generalinspekteurs des Heeres, Alfons Mais, dass „das Heer mehr oder weniger blank da“ stehe, bedeutet, dass die Bundeswehr nicht in der Lage sei, einen Territorialkrieg im Sinne eines klassischen Staatenkrieges zu führen.

Auch wenn das wieder hervorgeholte Feindbild vom Russen, der vor der Tür steht, so nicht stimmt, nimmt die Gefahr von militärischen Konfrontationen aufgrund der zunehmenden Spannungen objektiv zu. Gleichzeitig befindet sich die deutsche Wirtschaft in der Krise, denn die heimische Produktion schwächelt und die Konkurrenz um Absatzmärkte und Ressourcen wird global immer größer. Gerade für den Exportweltmeister Deutschland führt das zu einem grundlegenden Problem.

Militärausgaben gegen die Krise

Statt dem Dogma des freien Marktes wird aufgrund der globalen Konflikte vermehrt auf sichere Wirtschaftsbeziehungen in verbündeten Staaten gesetzt. Das Kapital versucht, bestehende Liefer- und Produktionsketten anders zu strukturieren, sowie die eigenen Absatzräume zu verteidigen und neue zu erschließen. Aus dieser Perspektive ist es zwingend notwendig, eine größere Armee aufzubauen und dafür eine massive Aufrüstung voranzutreiben. Deutschland muss sich, um eine eigenständige imperialistische Politik führen zu können, von der militärischen Abhängigkeit von den USA lösen.

Gleichzeitig kann die forcierte Produktion von Rüstungsgütern dazu beitragen, die aktuelle ökonomische Krise zu bearbeiten und die negativen Effekte der wirtschaftlichen Umstrukturierung zumindest abzudämpfen. Die historisch bedingte Verschränkung der meisten deutschen Rüstungskonzerne mit zivilen Sektoren könnte einen nicht zu unterschätzenden Schub in der Gesamtproduktion auslösen.

Noch ist die Rüstungsindustrie aber weder ein relevanter ökonomischer Faktor noch in der Lage, schnell und in großem Umfang zu produzieren. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass der größte Einzelposten im Sondervermögen der Einkauf des Kampfflugzeuges F-35 aus den USA ist. Sehr zum Ärger der Franzosen hat hier die transatlantische Einbindung funktioniert.

Wer bezahlt das eigentlich?

Deutlich relevanter als die Frage, wer welche Aufträge erhält, ist aber ein ganz anderer Aspekt. Denn weder die Rüstungsexporte an die Ukraine noch bereits geplante und extrem kostenintensive Projekte wie neue Panzer oder Schiffe, sind finanziell im Sondervermögen eingeplant. Scholz hat bereits angekündigt, dass die Ampel den Militäretat spätestens nach Auslaufen des Sondervermögens auf mindestens zwei Prozent des BIP erhöhen wird. Das heißt, dass spätestens ab 2026 jährlich mindestens 25 Milliarden Euro mehr in die Rüstungsindustrie fließen sollen.

Im Umkehrschluss stellt sich hier die relevante Frage: Zu Lasten welcher Ausgaben wird das finanziert werden? Es gibt dabei nur zwei Möglichkeiten: Erstens, die Schuldenbremse wird nicht aufgehoben. Dann werden Einsparungen in anderen Bereichen des Haushaltes erfolgen, absehbarerweise vor allem bei den Sozialausgaben. Oder, zweitens, die Schuldenbremse wird nur für Rüstungsausgaben außer Kraft gesetzt werden. Dann würde der Staat das Dogma der Schuldenbremse im Interesse des Kapitals und geopolitischer Erwägungen lockern, während die Mehrheit der Bevölkerung weiter vor die Hunde geht.

In beiden Szenarien erhöht sich die Kriegsgefahr und der Profit der Konzerne, in keinem der beiden hat die Arbeiterklasse etwas zu gewinnen – und ein mögliches drittes Szenario wird ausschließlich aus Widerstand erwachsen.

Erschienen im April 2024, Zeitung des BDK „die proletin“, Ausgabe 05, Seite 2


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