Betriebsratsgründung bei Nextbike

Wir greifen Arbeitskämpfe im Kiez auf

Autor: Rafael Mende

Im November 2022 war sowohl in den Medien als auch auf EDEKA- Rädern zu lesen: „Die Nextbike GmbH ist passé – alles ist jetzt (by) TIER!“. Was dort nicht zu lesen war, ist dass das Bestreben, einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat bei Nextbike zu gründen, von Geschäftsführer:innen und Anwält:innen beider Firmen kurz zuvor zum Abbruch gezwungen wurde. Der Konzernriese TIER Mobility hatte sich Nextbike unmittelbar zuvor einverleibt. In kurzer Zeit wandelte sich die Hierarchie und damit die Kommunikationsrichtung von oben nach unten. Die Möglichkeit Personalgespräche und Gehaltsverhandlungen zu führen, oder Antworten auf arbeits- oder personalbezogene Fragen zu erhalten, wurde den Mitarbeitenden genommen.

Aus Wut über die verhinderte Betriebsratswahl und dem Gefühl der Handlungsunfähigkeit, trafen sich im Frühjahr diesen Jahres ein paar Mitarbeitende von Nextbike in einer ihrer Berliner Werkstätten. Sie fassten den Beschluss etwas zu ändern und ein lokaler Betriebsrat, zuständig für über 40 Arbeitnehmende am Nextbike -Service-Standort Berlin, kam in Frage. Die notwendigen Kommunikationswege zur rechtskonformen Unterrichtung aller in Deutschland arbeitenden Kolleg:innen der TIER Mobility SE über eine standortübergreifende Betriebsratswahl fehlten.

Es wurden seitens der Firma viele leere Versprechungen gemacht: Zu Beginn des Jahres
wurden den Arbeiter:innen Gehaltserhöhungen zugesagt, die bis dato nicht in die Wege geleitet
wurden. So werden die Mitarbeiter:innen in wirtschaftlich inflationären Zeiten in die Armut getrieben. Zeitgleich soll das Streichen von Stellen die Profitabilität des Unternehmens garantieren, wobei für die Arbeiter:innen hiervon am Ende nichts abfallen wird. Materielle sowie zwischenmenschliche Wertschätzung wurden abgebaut obwohl die Arbeiter:innen verwertungslogisch alle Quartalsziele erreicht haben. Die Kolleg:innen nahmen diese Zustände nicht hin und sagten ihren Vorgesetzten den Kampf an.

Die Angst, im Gründungsprozess für den neuen Betriebsrat schwerwiegende Fehler zu machen oder gekündigt zu werden, war groß, denn die Beteiligten sind gesetzlich erst ab dem offiziellen Start des Prozesses vor Kündigung geschützt. Eine Betriebsratsgründung kostet Zeit, Energie und ist ein komplexer Prozess. Unterschiedlicher Kapazitäten der Mitarbeitenden zum Trotz, war die Betriebsratswahl im Frühling – nicht zuletzt aufgrund viel Unterstützung und Übereinkunft untereinander –, erfolgreich. Dadurch wurde bestätigt, dass die Arbeiter:innen ihre Probleme gemeinsam verstehen und angehen können. Während des Prozesses wandten sich die Kolleg:innen an das Stadtteilkomitee (STK) Neukölln, welches sie in ihrem Kampf unterstützen konnte.

Auch im STK Wedding werden Themen wie Arbeit und Ökonomie diskutiert. Die Auseinandersetzung mit dem Beratungs-Organisierungs-Ansatz der Gruppe Solidarisch in Gröpelingen (Bremen) vernlasste das STK Wedding dazu, Beratungen als Organisierungsmoment nutzen zu wollen. Eine neue Kommission fokussiert sich dabei auf die Arbeitsbedingungen der Menschen. Unser erster Schritt wird eine Beratung sein, bei der sich gemeinsam über Betriebsratsgründung und über eigene Rechte, z.B. im Falle von Kündigungen, ausgetauscht und geholfen werden kann. Der Fall Nextbike zeigt, dass eine Arbeitnehmer:innenvertretung den Angestellten eines Unternehmens signifikant den Rücken stärken kann. Die Vorgesetzten reagieren jetzt auf direkte Ansprache durch den Betriebsrat. Besonders in Zeiten schlechter konjunktureller Lage ist es für kapitalistische Unternehmen am einfachsten am Personal zu sparen. Um ihrer Barberei etwas entgegensetzen zu können, müssen sich die Arbeitnehmer:innen gemeinsam organisieren. Dass Unternehmen diese Art der Organisierung fürchten, zeigt sich an deren systematischem Bestreben die Gründungen von Betriebsräten zu unterbinden. Der Vereinzelung im Kapitalismus neoliberaler Spielart müssen Arbeitnehmer:innen mit Organisierung und Klassenbewusstsein entgegnen.

Arbeiter:innen müssen ihre Rechte kennen, um sie vertreten zu können. Darum organisieren wir uns gemeinsam.

Erschienen im Oktober 2023, Zeitung des BDK „die proletin“, Ausgabe 04, Seite 4


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