Der Kampf der Krankenhausbewegung

Mehr Lohn für Pflegekräfte ist besser für alle.

Autorin: Cassia Strachna

Die Krankenhausbewegung schien ein voller Erfolg zu werden. Seit 2015 von Pflegekräften in der Berliner Charité eine Initiative für Entlastung in der Pflege und vor allem mehr Personal losgetreten wurde, wurden die Forderungen an verschiedenen Standorten und in unterschiedlichen Tarifverhandlungen aufgegriffen. Mittlerweile sind die Forderungen nicht nur nach mehr Lohn, sondern vor allem nach besseren Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht nur bei der zuständigen Gewerkschaft ver.di etabliert. Man schmückt sich gerne mit diesem Arbeitskampf, der nicht nur kämpferisch ist, sondern gesellschaftlich auch hochangesehen. Parteien und Bundestagsabgeordnete haben aller Orten Soli-Erklärungen verlesen und Podiumsdiskussionen veranstaltet. Allerdings hat sich der Pflegenotstand seitdem verschlimmert und die erstrittenen Verbesserungen werden im Alltag von der Realität und dem Arbeitsdruck gefressen. „Mehr von uns ist besser für alle“ – mit diesem Motto kämpften Pflegekräfte an der Charité vor acht Jahren für mehr Personal. Sie streikten – anfangs gegen interne Widerstände bei ver.di – lange und entschlossen. Ein Vorbild für eine Mindestpersonalbemessung in der Pflege, die in einem Tarifvertrag geregelt ist, gab es bis dato nicht. Die Gewerkschaft wollte allerdings die erprobten Wege nicht verlassen. Sie schloss sich dem Arbeitskampf erst an, als deutlich wurde, dass die Entschlossenheit in der Belegschaft so groß war, dass der Apparat dem nichts mehr entgegenstellen konnte. Zwar war der Pflegemangel bereits vorher auch bei ver.di durchaus ein Thema, allerdings vor allem für Kampagnen und Appelle an die Bundesregierung, weniger für eigenes Handeln. Ebenso war der Widerstand auf Seiten der Krankenhausleitung enorm. Der Arbeitskampf wurde – zu Recht – als Versuchsballon gewertet, dem viele weitere folgen werden, sollte er erfolgreich sein. Mittlerweile gibt es Tarifverträge zur Entlastung und Mindestpersonalbemessung in mehreren Bundesländern bzw. Kliniken. Man konnte in den Klinken bundesweit Prozesse der Organisierung und Politisierung der Beschäftigten beobachten, die es so branchenweit selten gibt. Doch die realen Erfolge bleiben hinter dem zurück, was die Kampagnen auf dem Papier erreicht haben. Das liegt zum einen daran, dass Pflege durch die schlechten Arbeitsbedingungen und eine Bezahlung, die weit unter dem Niveau von Berufen liegt, die eine vergleichbare Verantwortung und Ausbildungstiefe mit sich bringen, ein Mangelberuf ist. Obwohl die Bundesregierung 2019 die Prämisse ausgegeben hat, die Ausbildungszahlen in der Pflege jährlich um zehn Prozent steigern zu wollen, ist außer Imagekampagnen von dieser Seite nichts passiert. Die Ausbildungszahlen sind im vergangenen Jahr sogar um rund sieben Prozent gesunken. Neue Kolleg:innen, um die erstrittenen Personalvorgaben einzuhalten, sind also schlicht nicht zu bekommen. Und auch die Tarifverträge, die durch mehr Personal Entlastung schaffen sollen, sind teils so konzipiert, dass statt eines verbindlichen Schlüssels, der nicht unterschritten werden darf, diese Unterschreitung lediglich in Form von freien Tagen ausgeglichen werden muss. Außerdem hat die Bundesregierung die Kosten für die Pflege im Krankenhaus 2020 aus den sogenannten Fallpauschalen zur Krankenhausfinanzierung gelöst und mit dem Pflegebudget das Selbstkostendeckungsprinzip allerdings lediglich für diesen Teilbereich eingeführt. Da Stellen in der Pflege also nun komplett refinanziert werden, werden den Kolleg:innen dort gerne neue Aufgaben zugeschustert. Mit solchen halbgaren Lösungen wundert es nicht, wenn immer mehr Pflegekräfte den Beruf verlassen.

Erschienen im Oktober 2023, Zeitung des BDK „die proletin“, Ausgabe 04, Seite 2


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