Kämpferisch ins neue Jahr

Bei der Post und im öffentlichen Dienst laufen harte Auseinandersetzungen

Autor: Rafael Mende

Das neue Jahr startete kämpferisch. Sowohl bei der Post als auch im öffentlichen Dienst laufen Tarifverhandlungen inklusive der ersten Warnstreiks. Ende Februar ist nicht absehbar, ob es zu den ersten Erzwingungsstreiks seit Jahren kommen wird. Für beide Bereiche stehen Lohnforderungen im zweistelligen Prozentbereich mit einem besonderen Augenmerk auf die niedrigen Einkommen unter anderem der Auszubildenden im Raum. Denn die niedrigen Einkommen sind es, die von der Inflation besonders schnell aufgefressen wurden.

Diese aktuellen Tarifkämpfe knüpfen an die harten Auseinandersetzungen der Krankenhausbewegung der letzten Jahre an. Sie finden in Betrieben statt, die für die öffentliche Daseinsvorsorge und die Gesellschaft unerlässlich sind. Insbesondere die untere Klasse ist auf diese allgemeinen Einrichtungen angewiesen, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Sie stehen auch im Kontext der Privatisierung der Post in den 90er Jahren und des Outsourcings in vielen Betrieben des öffentlichen Diensts (zum Beispiel die CFM der Charité). Dass die Beschäftigten der Post, der BSR, der Wasserbetriebe oder der Krankenhäuser eng verbunden mit dem Kiez sind, ist klar. Schließlich sind sie tagtäglich hier unterwegs. Ein gemeinsamer Kampf der Nachbarschaft mit ihren Kolleg:innen der öffentlichen Daseinsvorsoge bleibt bisher aber weitestgehend aus. Hier sollten wir ansetzen und an die Erfolge der Krankenhausbewegung anknüpfen, die es geschafft hat, Bündnisse auch außerhalb des Krankenhauses zu schließen und damit den Rückhalt für ihre Forderungen zu untermauern.

Ein Klassenbündnis zwischen der proletarischen Nachbarschaft und den kämpfenden Kolleg:innen von der Post bis zur BSR kann die Kampfkraft und damit die Erfolgschancen um ein Vielfaches erhöhen. Umso wichtiger ist es, die Kolleg:innen jetzt in diesen Kämpfen zu unterstützen. „Am Anfang ist die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch, aber mit der Zeit lässt sie nach, wenn der Müll länger nicht abgeholt wird. Aber wir brauchen die Unterstützung auch, wenn wir länger streiken. Wir sind bereit.“, so schilderte es uns ein BSRler im Gespräch. Die Stadtteilkomitees in Neukölln, Lichtenberg und im Wedding sollten sich als Kontaktpunkt begreifen, um dieses Bündnis langfristig aufzubauen.

Diese Überlegungen machen deutlich, dass es in den laufenden Ausein- andersetzungen um wesentlich mehr geht als um höherer Löhne, auch wenn das in Zeiten rasant steigender Teuerungen natürlich eine absolut notwendige und legitime Forderung darstellt. Es geht eben auch darum, die laufenden Kämpfe zu verallgemeinern, durch neue Bündnisse Gegenmacht im Kiez aufzubauen und damit potenziell auch andere Kämpfe im Stadtteil zu stützen. Immer in Anlehnung an das alte Gewerkschaftsmotto: „Heute ihr, morgen wir!“

Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg im Wedding ist, die Möglichkeit besteht. Wir haben deshalb im Januar begonnen, regelmäßige Solidaritätsabende in unserem Stadtteilladen „Kommune 65“ zu veranstalten, um als Nachbarschaft in Austausch mit den Beschäftigten zu kommen, Spenden zur Unterstützung von Arbeitskämpfen zu sammeln und Streikenden ein kostenloses Abendessen anzubieten. „Wenn es läuft wird man träge, dann muss man erst wieder wach werden. Aber ich bin jetzt wieder wach. Ich will den Jüngeren zeigen, dass Solidarität wichtig ist. Das müssen wir wieder lernen in der Gesellschaft.“ Mit diesen kurzen Worten beschrieb es ein Kollege beim Streik. Wir wollen ergänzen: Nicht nur den Jüngeren, sondern der Klasse insgesamt.

Erschienen im April 2023, Zeitung des BDK „die proletin“, Ausgabe 03, Seite 5


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