Wer profitiert, wer verliert?

10 Fakten zu den Auswirkungen von Krieg und Krise auf die Arbeiterklasse weltweit

Die vergangenen Jahre waren geprägt von Angriffen auf die Arbeiter:innen, Erwerbslosen und
Armen in der Bundesrepublik. Doch welche Verschlechterungen gab es konkret? Und wie griff
der Staat dem Kapital unter die Arme? Eine Liste.

(1) Die Inflation erreichte bereits Ende 2021 seit langem nicht mehr gesehene Ausmaße. Im Oktober 2021 lag sie bei 4,5 Prozent, im November dann schon bei 5,2 Prozent. Durch den Ukraine-Krieg wurde die Teuerung erneut angeheizt, wobei viele Bereiche des täglichen Lebens betroffen sind: Lebensmittel, Gas, Benzin. Die Löhne stiegen im Vergleichszeitraum weniger als die Preise, so kam es in den vergangenen Jahren zu einem Reallohnverlust.

(2) In einem Akt freiwilliger Sozialpartnerschaft erklärten die Gewerkschaften des DGB schon zu
Beginn der Pandemie zusammen mit den Unternehemer-Vertretern, keine allzu hohen Lohnforderungen stellen zu wollen. Im Namen der „Standort“-Sicherung verzichtet man auf Streiks und Kämpfe. Das Resultat: Grotest schlechte Tarifabschlüsse wie zuletzt bei verdi.

(3) Schon 2021 – also vor dem Ukraine-Krieg – stiegen die Gaspreise um ca. 5% an. Mit Ausbruch des Krieges verstärkte sich diese Entwicklung rasant. Schon im März erhöhte etwa die Gasag die Preise „so drastisch wie noch nie“, wie Medienberichte formulierten. Leidtragende: Vor allem Haushalte mit geringen Einkommen. Selbst das Jobcenter sah sich im März zu der Warnung veranlasst, dass Deutschland einem „nicht gekannten Ausmaß von Energiearmut“ entgegen gehe.

(4) Der Staat setzte zugleich im Rahmen der Pandemie ein bisher nie dagewesenes Programm
an „Hilfsgeldern“ und Krediten auf, um Unternehmen zu stützen. Insbesondere das „Kurz-arbeitergeld“, also die teilweise Übernahme der Lohnzahlungen durch den Staat, wurde breit in
Anspruch genommen. Trotz dieser Krisenhilfen schütteten Konzerne danach Dividenden an ihre
Anteilseigner und Boni an ihre Manager aus. Die Lasten wurden staatlich getragen, die Profite
privat verteilt.

(5) Dennoch kam es im Zuge der Pandemie zu einer Reihe von Werkschließungen und Arbeitsplatzabbau. Im Stahlsektor, im Maschinenbau, im Dienstleistungsbereich bauten Konzerne mehrere Zehntausend Stellen ab – viele davon – wie etwa der Autozulieferer Schäffler -, obwohl sie zugleich Produktionskapazitäten in Niedriglohnländern ausbauten. Die Pandemie war nur Vorwand für dieses Outsourcing.

(6) In einigen Bereichen wie der Pflege oder dem Transportwesen nutzten die Unternehmer die
Chance, um Arbeitsschutzregeln aufzuweichen. Anstatt diejenigen, die ohnehin schon völlig überarbeitet waren, zu entlasten, wurden längere Schichten legalisiert und der Unterbesetzung
mit noch mehr Druck auf die Beschäftigten begegnet. Im Rahmen sogenannter „Arbeitsquarantäne“ wurde das Leben der Werktätigen auf das für den Kapitalismus wesentliche reduziert: Arbeiten und Isolation.

(7) Setzten schon vor dem Krieg in der Ukraine einige arbeitsintensive Bereiche wie Landwirtschaft, Pflege und Bau auf über-ausgebeutete migrantische Arbeitskraft, wird dieser Effekt durch den sogenannten Arbeitskräftemangel noch einmal verstärkt. Schon im März bekundete der Vorsitzende des Bundesverbandes für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP): „Bis zu 300.000 Ukrainerinnen werden schätzungsweise für die Hälfte des Honorars arbeiten und alle Bedingungen ertragen, um ihre Familien zu ernähren“. Schon zuvor hatte die ehemalige Bundesregierung, damals noch unter Jens Spahn (CDU), auf Anwerbeabkommen in Staaten wie den Philippinen gesetzt – statt die Löhne zu erhöhen und den Beruf attraktiver zu machen.

(8) Exorbitant angestiegen sind in der Pandemie die Aufträge für diverse urbane Lieferdienste. Lieferando, Gorrilas und Co. erfreuten sich voller Auftragsbücher, die Investments in die Start- ups stiegen. Zugleich blieben die Arbeitsbedingungen für die überwiegend migrantischen Arbeiter:innen schlecht, die Löhne niedrig. Versuchen, Betriebsräte zu gründen, zu streiken und
die eigene Lage durch Öffentlichkeitsarbeit und Demonstrationen zu verbessern, trat man mit Union Busting und Entlassungen entgegen.

(9) Noch dramatischer waren die Folgen der Corona-Pandemie und damit des zeitweiligen Einbruchs von Globalen Lieferketten auf die Arbeiter:innen des Globalen Südens. Sie werden
mit jeder Welle von Auf- und Abschwung in die Produktion gesogen oder aus ihr geworfen – mit
dem Unterschied, dass hier keinerlei Kompensation für die nun beschäftigungslosen Werktätigen besteht. Die Lage der arbeitenden Klasse im Globalen Süden, die die Mehrheit des Proletariats auf der Welt ausmacht, hat sich im Zuge der multiplen Krisen weiter verschlechtert.

(10) Wie die NGO „Aktion gegen Hunger“ schon Mitte 2021 erklärte, litten im Jahr 2021 zusätzliche 132 Millionen Menschen weltweit unter Hunger. Die Zahl der Hungernden stieg damit zum 5. Mal in Folge. Diese Zahlen rechnen zwar bereits Effekte der Pandemie ein, nicht aber des mit dem Ukrainefeldzug Putins und dem Sanktionsregime des Westens begonnenen dramatischen Steigerungen der Getreide- und Düngerpreise im Jahr 2022. Diese werden, so vermuten Experten, die weltweite Hungerkrise noch verschärfen.

Gegenwehr: Gewerkschaften zu zahm
Die Gegenwehr von Arbeiter:innen gegen die Abwälzung der Krisenlasten mag noch in den Kinderschuhen stecken, aber sie existiert. In den vergangenen Jahren gab es Streiks der Krankenhausbelegschaften, von Lieferarbeiter:innen, Demonstrationen im Bauhauptgewerbe und bei den Erzieher:innen der Kindertagesstätten. Allerdings muss man betonen: Das Streikvolumen insgesamt blieb auch in den Jahren der Pandemie außerordentlich niedrig – was auch an der von den Gewerkschaften zunächst ausgerufenen „Streikpause“ im Jahr 2020 liegen dürfte. Die Stimmung in den Belegschaften dürfte das nur unzureichend widerspiegeln: Jeder zweite ist Umfragen zufolge mit seiner Arbeit unzufrieden, in einigen Bereichen wie der Pflege sind es über 70 Prozent.

Erschienen im Mai 2022, Zeitschrift des BDK „die proletin“, Ausgabe 01, Seite 02


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