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Charité Facility Management: Die Zeichen stehen auf Streik

Die Beschäftigten der Charite-Tochter CFM kämpfen weiter um eine Eingliederung in den TvöD. Die Zeichen stehen auf Streik, da die Geschäftsführung und der Senat weiterhin blockieren.

„Ein Krankenhaus zu bestreiken, ist für alle unangenehm“, sagt Marcel, Kältetechniker in der Charité Facility Management (CFM). „Die Patienten bekommen dann Fertigessen, Operationen müssen verschoben werden und wir haben Verdienstausfälle. Aber die Geschäftsführung scheint fest entschlossen zu sein, uns keine andere Wahl als den Streik zu lassen“, kommentiert das Mitglied der Tarifkommission nach dem erneuten Ausbleiben eines Angebotes seitens des Managements am vergangenen Montag. Marcel und seine rund 3500 Kolleg:innen an mehreren Standorten in Berlin fordern seit Langem eine Angleichung an den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVöD). Die Leitung der CFM allerdings weigert sich, überhaupt irgendetwas vorzulegen – und das, obwohl bereits an den Warnstreiktagen vergangene Woche die Beteiligung so groß war wie selten zuvor.

Die zwei Tage Warnstreik zusammen mit Charité- und Vivantes-Kolleg:innen sollten ein Vorgeschmack sein, der Geschäftsführung und Senat aufzeigt, womit sie zu rechnen haben, wenn sie nicht bereit sind den Forderungen der Beschäftigten stattzugeben. Aber schon zuvor, bei einer Betriebsversammlung im Februar an der Charité Campus Mitte war deutlich geworden: kein Brotkrümel mehr soll für die Beschäftigten drin sein. Nicht mal eine kleine Verbesserung planen Arbeitgeber oder Politik, denn die Löhne, so Geschäftsführer Simon Batt-Nauerz, seien durchaus branchenüblich. Darüber kann Marcel nur lachen: „Draußen würde ich locker mehrere hundert Euro im Monat mehr verdienen“.

Ziel: Niedriglohn

Im Jahr 2006 wurden die nicht-medizinischen Dienstleistungen der Charité „outgescourced“ und in eine eigene Tochtergesellschaft, die CFM, verlagert. Diese Ausgründung war kein Zufall, sondern Teil einer neoliberalen Strategie der Gesundheitsökonomisierung. Während das Gesundheitswesen lange Zeit als öffentliche Aufgabe mit sozialen Verpflichtungen galt, setzte schon in den 1990er Jahren eine Welle der Privatisierung ein, die auch im Gesundheitssektor eine neue Qualität der Profitmaximierung und Kosteneinsparung anstrebte.

Ziel war es, Krankenhäuser „effizienter“ zu gestalten, was in der Praxis bedeutete: Kosten senken auf dem Rücken der Beschäftigten. Die Charité folgte diesem Trend und gründete die CFM mit dem klaren Ziel der Tarifflucht. Während die im Krankenhaus angestellten Pflegekräfte und Ärzt:innen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden, gilt dieser für die Beschäftigten der CFM nicht. Stattdessen wurden schlechtere Löhne durchgesetzt, oft um die 30% unter TVöD-Niveau, während die Arbeitsbedingungen härter wurden. Die Belegschaft der CFM erbringt nun dieselbe Arbeit, die zuvor direkt bei der Charité angesiedelt war – aber zu einem Bruchteil der Kosten.

Dabei würde ohne sie kein Krankenhaus funktionieren. Das Renommee der Charité, das diese selbst vor allem ihren ärztlichen Leistungen zuschreibt, fände nicht statt ohne die Haustechniker, den Krankentransport, die Reinigungskräfte, die Sterilisation, die Telefondienste und diejenigen, die Essen und Betten vorbereiten. Im öffentlichen Diskurs bleiben sie meistens unsichtbar, auf der Homepage der Charité finden sie kaum Erwähnung.

Aber diese Geringschätzung ändert nichts daran, dass unter der Charité in einem schier endlosesen Tunnelsystem, das jedes Gebäude, jeden Zulieferort, jeden Technikraum und jedes Warenlager miteinander verbindet, täglich tausende Arbeiter:innen unterwegs sind, die den Laden am Laufen halten.

„Wie soll ich davon leben?“

Gedankt wird es ihnen aber zumindest von Geschäftsführung und Senat nicht. „Ich arbeite sieben Stunden am Tag, also 35 Stunden die Woche, weil ich keinen Vollzeit-Vertrag bekomme“, erzählt Jana*, eine der Reinigungskräfte. „Ich muss aber trotzdem die gleiche Arbeit erledigen wie meine Kollegen, die 8 Stunden haben. Und am Ende des Monats habe ich davon Netto 1600 Euro raus. 1000 Euro davon sind schon allein meine Miete. Wie soll ich davon leben?“

Viele CFM-Beschäftigte müssen Zweit- oder Drittjobs annehmen oder sind auf Sozialleistungen angewiesen. Hört man sich bei den Streikversammlungen um, ist der aktuelle Tarifkampf für viele der letzte Rettungsanker vor der Kündigung. Denn so „branchenüblich“, wie man in der Chefetage meint, sind die Hungerlöhne am Ende wohl doch nicht.

Die Ausgliederung macht zudem eine gewollte Spaltung innerhalb des Krankenhausbetriebs sichtbar: Während Pflegekräfte nach Manteltarif bezahlt werden, werden die CFM-Arbeiter:innen systematisch auf ein Lohnniveau gedrückt, das zum Leben nicht reicht. „Die Kollegen können sich zum Teil kein Abendessen leisten, wenn der Monat zu Ende geht“, erzählt uns Marek* aus der Betriebstechnik.

Zudem haben viele der Beschäftigten nur befristete Verträge, sind also von ständiger Unsicherheit betroffen und trauen sich kaum, ihre Rechte einzufordern. Die ständige Drohung mit weiterem Outsourcing und Jobverlust hält viele davon ab, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Doch genau diese Spaltung und Prekarisierung ist politisch gewollt: Eine gespaltene Belegschaft ist leichter zu kontrollieren und kann schlechter für bessere Bedingungen kämpfen.

Politik lügt, Geschäftsführung mauert

Dass diese Probleme vorliegen, dürfte auch den politisch Verantwortlichen bekannt sein. Selbst der Berliner Koalitionsvertrag von SPD und CDU verspricht eine Rückführung der CFM und damit den TVöD für die dortigen Beschäftigten. Nur: Es wurde kein Zeitplan vorgelegt und die Durchführung der Ankündigung wird weiter und weiter verschleppt.

Weil der Senat aber seinem Versprechen nicht nachkommt, können die Beschäftigten nur durch einen Tarifkampf ihre Situation verbessern. Da wiederum mauert aber die Geschäftsleitung, die bislang auf dem Standpunkt steht, dass sie kein Angebot vorlegen werde, solange die Belegschaft auf der Zielvorstellung der Angleichung an den TVöD besteht. Dem Vernehmen nach sollen von oben bislang nur Absurditäten wie „Unterstützung bei der Anschaffung eines Jobrades“ oder „mehr Home Office“ zu hören sein – wie soll das für Reinigungskräfte oder Techniker:innen gehen?

Den Arbeiter:innen wird das nicht reichen. „Dieses Mal sind wir so stark wie noch nie, Tendenz steigend“, erklärt ein Logistiker am Streikposten. „Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst muss unsere Verhandlungsgrundlage sein, darunter geht nichts.“ In den letzten Wochen haben die Beschäftigten den größten Warnstreik in der Geschichte der CFM auf die Beine gestellt und auf mehr als 10 verschiedenen Sprachen eine Streikbewegung aufgebaut, die das Potenzial hat, den Krankenhausbetrieb vollständig lahmzulegen und auf den Notdienst herunterzufahren. Das Management wäre gut beraten, keinen Erzwingungsstreik zu provozieren. Denn ohne einen Geschäftsführer kommt ein Krankenhaus aus. Ohne Essen, Reinigung, Logistik, Technik, Transport und Betten nicht.

*Namen zum Schutz der Beschäftigten verändert

admin

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